Au Pair – machen oder nicht?

Irgendwann kommt jede Familie an den Punkt, an dem sie der Kinder-Orga-Aufwand in den Wahnsinn treibt und sie zumindest mal drüber nachdenkt: ein Au Pair aufzunehmen.

Wir sind seit mehreren Jahren im Club, in gut einer Woche kommt unser neues Au Pair aus Marokko und wir sind gespannt, wie es wird. Denn wenn wir eines im Laufe der Jahre gelernt haben: Ein Au Pair ist immer ein Überraschungsei.

Du kannst noch so viel schreiben und skypen am Anfang. Wie die Person wirklich ist, lernt man erst zuhause.

Ich habe mittlerweile so viel erlebt mit Au Pair-Mädchen – was für den einen oder anderen von Euch vielleicht nützlich ist. 😅

Was kostet ein Au Pair?

Vielleicht ein bisschen unemotional, erst mal mit der finanziellen Seite zu starten, aber die spielt für viele Familien eben die Hauptrolle. Daher: Alles in allem sind die Fixkosten bei einem Au Pair 500 Euro im Monat.

Pro Monat 260 Euro Taschengeld, 40 Euro Versicherung, 50 Euro Sprachkurszuschuss, Monatsticket für die Öffis (bei uns knapp über 90 Euro), Verpflegung. Da wir unser Au Pair in einer WG unterbringen, kommt das natürlich obendrauf, plus Handyvertrag, den wir übernehmen (der mit zehn Euro aber nicht wirklich zu Buche schlägt).

Was ist toll am Au Pair-Modell?

Ganz viel! Die Flexibilität zb, ich muss manchmal spontan länger bleiben, schreibe eine WhatsApp und weiß, dass die Kids gut vom Kindergarten abgeholt werden. Unsere Au Pairs kaufen auch ein und helfen im Haushalt mit (keine Sorge, kein Putzen, bevor hier jemand meckert 😉).

Ich schätze auch sehr, dass meine Kinder von klein auf neue Kulturen kennen lernen. Menschen, die anders aussehen und sprechen, zu unserem Au Pair aus Honduras und aus Venezuela haben sie einen sehr engen Kontakt aufgebaut und als alte Erasmus-in-Spanien-Muddi freut es mich, dass sie mittlerweile alle auf spanisch zählen können. 😇

Was ist nicht so toll?

Dass es jedes Jahr wieder von vorne los geht…. die Sucherei…. das Checken von bestimmt 100 E-Mails von Au Pairs (ich mache alles ohne Agentur sondern über Facebook), das unzuverlässige Rückmelden, das Kontakt-aufnehmen… dann die Bürokratie und der Schock, wenn die Botschaft das Visum verweigert (1x passiert). Die Anlaufphase zuhause. Zum Bürgeramt, zur Bank, zum RMV an der Hauptwache, alles zeigen, Urlaub nehmen für die Einarbeitung, etc.

Und natürlich gibt es auch den Fall, dass die Chemie überhaupt gar nicht stimmt. Bei unserem ersten Au Pair aus Madagaskar war das nach einem Tag schon klar (siehe Unser Au Pair – das Desaster des Jahrhunderts), bei einem anderen Au Pair habe ich mich durch das Jahr gekämpft, viel zu viel durchgehen lassen und bin im Nachhinein der Meinung, dass ich es hätte abbrechen sollen.

Wie finde ich das „richtige“ Au Pair?

Ich habe mittlerweile ein richtiges „Casting“-System ausgeklügelt: Zuerst mache ich einen kurzen Post in 3-4 Facebook-Gruppen (zB „Au Pair in Germany“). Wer mir daraufhin schreibt, bekommt eine Email (deutsch oder englisch) mit allen Infos über uns zugeschickt. Was machen wir beruflich, wie sind wir drauf, was sind die Au Pair Aufgaben.

Ganz unten in dieser Email steht: Wenn du jetzt immer noch interessiert bist, schreibe mir eine Whatsapp. Nur so kann ich sicherstellen, dass das Au Pair alles gelesen hat, „so wenige Überraschungen wie möglich“ ist ja mein großes Motto. Wer sich dann tatsächlich noch per Whatsapp meldet, mit dem nehme ich Kontakt auf und mache ein bis zwei Skype- oder Whatsapp Video-Gespräche, bevor es dann heißt: Top oder Flop.

Tipp: Erwartet nicht, dass das Au Pair bei Euch zuhause genau so agil ist, wie ihr es beim Skypen wahrgenommen habt. Dort sind sie in ihrer eigenen Umgebung und fühlen sich wohl – bei dir zuhause sind sie erst einmal neu. Eingeschüchtert, wortkarg, unsicher. Von der Lebendigkeit kann man dann gleich mal 50% abziehen. Das im Hinterkopf zu haben, kann sicher nicht schaden.

Wie wichtig sind die Sprachkenntnisse?

Am Anfang dachte ich: Niveau B1 muss schon sein. Mittlerweile bin ich schlauer. Je nach Lebendigkeit des Au Pairs kommt man auch mit dem Mindestniveau A1 gut zurecht. Und, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen berechnend (ist es auch): Nicht die besten Sprachkenntnisse haben einen Vorteil: Sie machen es zumindest unwahrscheinlicher, dass das Au Pair die Biege macht. Sobald B2 erreicht ist (mit diesem Niveau kann man sich für viele Jobs bewerben) kann man sich gedanklich schon verabschieden, dann streben die meisten nach Höherem und das ist ja auch ok so!

Reichen die 50 Euro Sprachkurs-Zuschuss?

Klare Antwort: nein. Bleibt das Au Pair ein ganzes Jahr hat es Anspruch auf 600 Euro – in Frankfurt reicht das gerade mal für 1 1/2 Sprachkurse. Der an der Volkshochschule kostet 390 Euro und ist damit immer noch der günstigste, ein Intensivkurs. Jeden Tag von 9-13 Uhr. Vier Wochen lang. Dann ist Sense.

Meiner Meinung nach kein Zustand, dass sich ein Au Pair nur so wenige Sprachkurse leisten kann. Ich denke, da sollten sich die Familien nach Möglichkeit etwas großzügiger zeigen und mindestens einen zweiten Sprachkurs sponsoren. Zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach nur, weil das Au Pair einen super Job macht.

Wie kann ich meinem Au Pair einen guten Start ermöglichen?

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, den neuen Au Pairs ein Willkommenspaket zu schnüren: Kommen sie im Oktober, gibt’s zb als kleines Geschenk eine schicke Mütze oder einen Schal. Ein Gutschein von dm oder Rossmann ist immer gut, je nach Herkunftsland bringen die Mädchen nicht einmal Hygieneartikel mit, weil sie es sich schlicht nicht leisten können. Ein Stadtplan, eine Übersichtskarte für U-, S- und Straßenbahnen.

Ich tausche jedes Mal die Fotos aus, die im Au Pair Zimmer hängen – stalke die Mädels dafür vorher noch einmal eine schöne Runde auf Facebook, drucke die schönsten Fotos aus und packe sie in die bereits hängenden Rahmen.

Ich empfehle, dass einer von beiden (Mutter oder Vater) sich eine Woche Urlaub für die Einarbeitung nimmt: Alle wichtigen Wege schon mal abfahren oder abgehen, das Fahrrad oder das Auto erklären, alle wichtigen Ansprechpartner in Schule oder Kindergarten kennenlernen und dafür sorgen, dass Kinder und Au Pair sich entspannt und ohne Druck kennen lernen können.

Welche Fehler kann man als Familie machen?

Dass man nicht von Anfang an ALLES klar kommuniziert. Gedanken wie „das kann ich ihr in zwei Wochen ja noch mal sagen, wenn sie besser eingegroovt ist“, sofort zur Seite schieben, denn alles, was später gesagt wird, wirkt wie eine Schelte.

Natürlich ist das manchmal nicht zu vermeiden, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es unabdingbar ist, sich die ersten Tage hinzusetzen und ALLES durchzusprechen mit Details, die einem selbst vielleicht lächerlich erscheinen: Beim Rausgehen: Licht aus. Kein Fenster auf und Heizung an, kein ständiges Handygeglupsche wenn die Kinder da sind. Die Kleidung bitte nicht in den Kleiderschrank auf links gedreht WERFEN, sondern vorher zusammenlegen… (🤣 aber kein Witz).

Das allerwichtigste: Macht Euch locker

Eine italienische Mama hat mal zu mir gesagt, dass wir deutschen Mütter es uns besonders schwer machten. Alles muss immer so perfekt sein. Die Ernährung gesund, unbedingt erst ein Stück Paprika, bevor es einen Keks geben darf. Fernsehen nur 20 Minuten abends, bloß keine Minute mehr…. und ich verstehe, was sie damit meint 🤪😇

Mit Au Pair im Haus ist man gut beraten, sich davon zu lösen. Schließlich ist nun eine neue Person da, die anders tickt, andere Gewohnheiten hat und sicher nicht alles haargenau so kann, wie wir es wollen. Unsere Au Pairs konnten bisher alle ÜBERHAUPT gar nicht kochen. Es gab Tiefkühlpizza und Nudeln mit Pesto wenn ich nicht da war. Da hilft nur ein gepflegtes „So what!“ und die Erinnerung daran, dass das wichtigste ist, dass die Kinder mit dem Au Pair connecten und zusammen eine gute Zeit haben. 😍

Die Au Pair-Delle

Eine Beobachung habe ich noch gemacht: Nach gut einem Monat lässt das Engagement von einigen Au Pairs plötzlich nach. Vier Wochen lang ist richtig Gas geben angesagt und als Au Pair-Eltern ist man total happy und geflasht. Anschließend wird’s etwas sagen wir mal „legerer“, das nur für Euren Hinterkopf.

Au Pairs und Nebenjobs

Wer als Au Pair nach Deutschland kommt, hat meistens wenig Geld – 260 Euro Taschengeld ist auch echt nicht die Welt, so dass viele sich zusätzlich einen Nebenjob suchen. Ich muss hier glaub ich nicht aufschreiben, dass das eigentlich nicht legal ist, schließlich ist das Au Pair Visum eben kein Arbeitsvisum.

Nichtsdestotrotz: Wenn die Mädels sich etwas dazuverdienen wollen – von mir aus, solange, und das ist der entscheidende Punkt, es die Au Pair Arbeit zuhause in der Familie nicht beeinträchtigt.

Wir hatten ein Au Pair aus Albanien, das sich gleich im zweiten Monat einen Job als Babysitterin geholt hat, zwei Mal die Woche vormittags, ein 10 Monate alter Junge. Das geht natürlich gar nicht. Schließlich hatte ich mir extra ein Au Pair geholt, damit ich auch einen Standby habe, wenn der Kindergarten anruft („Kind krank, abholen bitteeeeeee“). Ich arbeite als Radiomoderatorin und komme nicht spontan aus dem Studio raus, mein Mann ist häufig auf Dienstreise… sprich: Diesen Nebenjob musste ich unterbinden.

Damit der Flunsch unseres Au Pair daraufhin aber nicht ins unendliche gezogen wurde, haben wir ihr einen dritten Sprachkurs gesponsort. Dinge, die ich heute nicht mehr machen würde.

Unsere anderen Au Pairs haben bei anderen Familien am Wochenende oder Abends gebabysittet oder in einem Restaurant gekellnert – und das war für mich absolut ok!

Was, wenn ein Au Pair länger bleiben möchte?

Sad but true: 12 Monate Au Pair, danach ist Schluss, Verlängerung nicht möglich – so sehr wir uns das auch bei unserem Au Pair zb aus Honduras gewünscht hätten. Wer danach in Deutschland bleiben will, kann entweder studieren (und eine Bürgschaft von etwa 10 000 Euro hinterlegen) oder als Sprachschüler in Deutschland bleiben oder heiraten oder eine Ausbildung machen. Habe ich gerade alles von unserem Au Pair aus Venezuela gelernt, die sich für letzters entschieden hat und nun eine Ausbildung zur Arzthelferin macht.

Der erste Monat: Auch für die Familie anstrengend

Um ehrlich zu sein, schiebe ich die ersten vier Wochen mit einem neuen Au Pair ziemlich viel Frust und träume dann davon, wie es wäre, eine Nanny zu haben, die einfach über zehn Jahre bleibt und der ich nicht alles wieder von Neuem erklären muss. In den ersten vier Wochen bleibt einfach noch super viel an der Mama hängen, viel Hinbringen und Abholen, Einkaufen, Listen schreiben etc. Die Kinder müssen sich auch erst an das Au Pair gewöhnen, das Au Pair sich an die Kinder – die ganze Familie muss sich neu finden. Das Au Pair erfährt, dass es auch mal strenger sein kann, um den dreijährigen Wildfang in die Schranken zu weisen, die Mama muss schauen, mit welchen Au Pair-Aktivitäten sie ein gutes Gefühl hat und mit welchen nicht (Kinder mit Öffis zum Turnen fahren zb ist mit unserem aktuellen Au Pair keine gute Idee)….

So, das war viel Holz: Wer Fragen zum Thema Au Pair hat, gerne!

Ich freu mich übrigens schon sehr auf Weihnachten, das feiern wir dieses Jahr mit Au Pair aus Marokko und altem Au Pair aus Venezuela, quasi mit Au Pair-Starbesetzung🌟🌟😃